Die acht Unsterblichen / Eight Immortals
Älter als die Bonsaikunst ist die Kunst des Formens und Brennens der Erde. Am Anfang der Zeit des Menschen entstand wohl die erste Schale, nicht als Kunstwerk, sondern als Helfer zum Überleben. Die Urform der Schale ist die Form der hohlen Hand, zum Auffangen von Wasser, zum Aufbewahren von Nahrungsmitteln. Diese Urform spiegelt sich auch heute noch in Form unserer Tasse, Teller und Schüssel wieder.
Die Symbolik der hohlen Hand, sich öffnend, bewahrend, schützend, entspricht auch dem Sinn einer Bonsaischale. Sie soll den Wurzelballen vor dem Auseinanderfallen, die Erde vor dem Austrocknen
schützen.
In China, dem Ursprungsland der Jahrtausende alten Bonsaikunst, waren die ersten Gefäße, in denen man die in den Bergen gesammelten Bäumchen pflanzte, Kult – oder Wassergefäße. Da diese Gefäße
keine Wasserabzugslöcher hatten, wurden sie nachträglich in den Schalenboden gebohrt. Es ist nicht überliefert, wann die Töpfer in China ihre ersten Aufträge über die Herstellung einer
Bonsaischale bekamen. Sehr alte chinesische Schalen zeugen heute davon, daß sich der Wandel vom Kult – zum Bonsaigefäß nur langsam vollzog. Gefäß wie Bonsai waren beide noch religiöse
Kultgegenstände. Leider sind in den Wirren der Kulturrevolution unzählige dieser herrlichen Gefäße zerschlagen worden. Die wenigen heute noch existierenden alten Schalen werden ihrer Kostbarkeit
wegen nicht mehr als Pflanzschale benutzt, sondern als Zeugen der Vergangenheit in Museen oder Privatsammlungen aufbewahrt. Um in den Genuß der Betrachtung und des Studiums alter Bonsaischalen zu
kommen, müsste man schon nach Japan, China oder Taiwan fliegen. In Europa gibt es nur drei oder vier Orte, an denen alte Schalen für jedermann frei zu betrachten stehen. Es sind dann auch
meistens gleichzeitig die Privatsammlungen der Schalenliebhaber. Im Bestand der öffentlichen Museen sind im Bereich „Asiatische Kunst“ so gut wie keine Bonsaischalen vorhanden. Eine Alternative
zu dieser nicht gerade guten Situation ist diese Web-Seite oder auch im Handel zu bekommende Bonsai Zeitschriften. Hier werden Bonsaischalen vorgestellt, die sonst für uns unerreichbar sind Das
Wissen und Studium alter Schalen ist für den anspruchsvollen Bonsailiebhaber unumgänglich. Erst hierdurch bekommt er Sicherheit im Umgang mit der Schale zu Bonsai. Die hier vorgestellte Schale
stammt aus der Sammlung von Paul Lesniewicz und ist jetzt in meiner Sammlung.
Aus China kam es, mit Gold wurde es aufgewogen. Marco Polo nannte es „ Porzellana“.
Von der Kaurischnecke mit ihrem glatten, glänzenden Haus kommt der Name -Porcella-. Wir nennen es heute Porzellan. Die Beschäftigung mit Porzellan gleicht einem Abenteuer, einem Abenteuer zurück
zu den Anfängen der Kunst/Keramik herzustellen. Vor etwa 700 Jahren berichtete schon ein europäischer Kaufmann von der allerhöchsten Feinheit dieser Keramik, die an Glas erinnert, aber eine
weitaus höhere Festigkeit aufweist. Im Jahre 1271 unternahm Marco Polo mit seinem Vater und Onkel eine Handelsreise nach Peking. Nach seiner Heimkehr im Jahre 1292 brachte er neben anderen
Handelsgütern auch Porzellan mit.
Die hier vorgestellte Schale kommt aus China und ist ca. 200 Jahre alt. Sie ist aus Porzellan und gehört zu den schönsten Bonsaischalen, die die Kulturrevolution überstanden haben. Die Form der
Schale ist achteckig (22 cm x 22 cm x18 cm).
Older than the art of bonsai is the art of shaping and firing clay. The very beginnings of mankind also
mark the appearance of the very first bowl, not as a work of art, but as a means of survival. The prototype of a bowl is the shape of cupped hands, used to collect water or food. This prototype
is still reflected today in the shapes of cups, plates and bowls.
The symbolism of the cupped hand that opens, keeps and protects is also reflected in a bonsai pot. It prevents the root ball from falling apart and the soil from
drying out.
In China, which was the origin of bonsai art a few thousand years ago, ritual vessels and water containers were the first containers in which the small trees collected in the mountains were planted. Since these containers didn't have drainage holes, they were later drilled into the bottoms of the pots. We don't know when potters were consigned to build bonsai pots for the first time. Very old Chinese pots indicate that there was a gradual change from ritual vessel to bonsai pots. Both the bonsai and the pot were originally objects of religious cult. Unfortunately many exquisite pots were destroyed in the turmoil of the cultural revolution. The few pots that still exist are precious and therefore no longer in use as planting containers. As witnesses of the past they can only be found in museums or private collections.
You would have to travel to Japan, China or Taiwan in order to be able to enjoy viewing and studying such old bonsai pots. In Europe there are only three or four places where they are on display. In most cases, these are private collections; there are hardly any pots to be found in the "Asian Art" sections of public museums. This web site wants to offer an alternative, as do some of the available bonsai journals. Here you can see pots that would otherwise be inaccessible. The knowledge and the study of antique pots is essential for the discriminating bonsai enthusiast, since it provides you with a deeper understanding of the relationship between pot and bonsai.
It came from China and was worth its weight in gold. Marco Polo coined the term 'porcellana' - derived from the word 'porcella' for the
cowry with its smooth and shiny shell. Today we call it porcelain. Exploring the history of porcelain is an endeavor which leads us back to the beginnings of the art of producing ceramics. About
700 years ago, a European merchant gave an account of the high degree of fineness of this ceramic, which is reminiscent of glass, but much more durable. In 1271, Marco Polo made a trading voyage
to Peking with his father and his uncle. On his return in 1292, he brought back porcelain among other goods.
The pot presented here is from China and is about 200 years old. It was in Paul Lesniewicz's collection and is currently part of my collection. It is made from porcelain and is one of the finest
pots that survived the cultural revolution. The pot has an octagonal shape (22 x 22 x 18cm / 8.5 x 8.5 x 7 in).
Die Zahl acht ist, wie alle geraden Zahlen in China, weiblich, also
eine Yin-Zahl. Die Zahl acht gehört zu den größten Symbolzahlen und steht in Kombination mit den acht Kostbarkeiten (Glückssymbole), den acht Trigammen, den acht buddhistischen Emblemen, den acht
daoistischen Emblemen, den acht Unsterblichen. Genau diese sind es, deren Abbilder dieser Schale das ganz Besondere einhauchen. Die acht Unsterblichen sind die legendären Anhänger der
daoistischen Lehre. Sie lebten zu verschiedenen Zeiten in China und haben sich durch tiefes Studium der Natur ihre Unsterblichkeit erworben.
In China, the number eight - like all even numbers - represents Yin, the feminine element. It is one of the most important symbolic numbers and is linked to the "Eight Lucky Treasures", the Eight Trigrams, the Eight Auspicious Symbols of Buddhism, the Eight Taoist Emblems, and the Eight Immortals. It's the pictures of these Eight Immortals that make this pot so special. The Eight Immortals are a group of legendary patrons of Taoism. They lived in China at different times and gained their immortality through a detailed study of nature.
ZHONGLI GIUAN ist das Oberhaupt der acht. Er besitzt das
Lebenselixier und die Fähigkeit, Tote zum Leben zu erwecken. Sein Attribut ist ein Fächer.
LAN CAIHE zog als Bettler durch die Straßen, oft sah man ihn nur mit einem Schuh, Lieder singend über die Vergänglichkeit des Lebens. Er ist der Schutzpatron der Floristen und Gärtner. Sein
Attribut ist ein Blumenkorb.
ZHONGLI GIUAN is the leader of the group. He possesses an elixir and the ability to revive the dead. His attribute is a fan.
LAN CAIHE used to roam the streets as a beggar and was often only seen wearing just one shoe, singing songs about the impermanence of all existence. He is the patron
of florists and gardeners; his attribute is a flower basket.
CAO GUOJIU ist der Schutzpatron des Theaters und der Schauspieler. Er
wird fast immer in höfischer Beamtenkleidung dargestellt. In der Legende heißt es, daß er sich schon seit seiner frühesten Jugend mit der Geheimlehre des Daoismus befasst hat. Sein Attribut sind
die Kastagnetten.
ZHANG GUOLAO besitzt Zauberkräfte und kann sich unsichtbar machen. Seine Attribute sind ein zusammenlegbares Maultier, das er verkehrt herum reitet. Dargestellt wird er oft mit einer
Fischtrommel. Dieses Lärminstrument besteht aus einem Bambusrohr und zwei Stäben.
CAO GUOJIU is the patron of theatre and actors. He is almost always shown in formal court dress. According to the legend, he occupied himself with the secret teachings of Taoism from his early youth on. His attribute are the castinets.
ZHANG GUOLAO has magic powers and the ability to make himself invisible. His attribute is a mule which can be folded together and which he usually rides backwards. He is often depicted with a
fish drum, a tube-shaped bamboo drum with two drumsticks.
LI TIEGUAI war ein Zauberer. Einmal im Schlaf ließ er seine Seele umherwandern.
Seine Jünger glaubten er sei tot und verbrannten seinen Körper. Als Li heimkehrte und seinen Körper nicht wieder fand, schlüpfte er in den Körper eines vor dem Haus liegenden kranken Bettlers und
übernahm damit auch sein lahmes Bein. Seither wird er mit einer eisernen Krücke dargestellt. Sein Attribut ist eine Kalebasse, eine Kürbisflasche, aus der eine Fledermaus entweicht.
HAN XIANGZI lebte im frühen 9. Jahrhundert. Er gab das Leben in der Gesellschaft auf und studierte bei dem heiligen Lü Tung Bin. Danach besaß er die Fähigkeit, Blumen augenblicklich wachsen und
blühen zu lassen. Sein Attribut ist eine Flöte, mit deren Klängen er Vögel und andere Tiere herbeilocken kann.
LI TIEGUAI was a sorcerer. One time when he was asleep, he let his soul wander around. His disciples thought he was dead and burned his
body. When Li returned home and couldn't find his body any more, he entered the body of a dying beggar lying near by, also acquiring his lame leg. This is why he is shown with an iron crutch. His
attribute is a gourd from which a bat escapes.
HAN XIANGZI lived in the early 9th century. He abandoned his society life and studied with the holy Lü Tung Bin. After this he was bestowed with the power to let flowers grow and blossom
instantaneously. His attribute is a flute, and with its sounds he can attract birds and other wild animals.
LU DONGBIN ist der Schutzpatron der Kranken und der Barbiere. Er
besaß ein Zauberschwert, mit dem er die verschiedensten Übel der Welt bekämpfte. Seine Attribute sind das Wunderschwert und der Fliegenwedel.
HE YIANGU ist die einzige Frau unter den acht Unsterblichen. Sie lebte allein in den Bergen. Sie erlangte ihre Unsterblichkeit durch eine spezielle Diät aus zermahlenem Perlmutt und Mondschein.
Sie ist die Schutzherrin des Haushalts und ihr Attribut ist der Lotos.
Die acht Unsterblichen auf dieser Schale sind durch meisterlichen Pinselstrich wieder zum Leben erweckt worden. Die Malerei ist von allerhöchster Qualität und zeugt von der tiefen
Naturverbundenheit der Chinesen.
Fast jede Lebenssituation oder jeder Wunsch wurde bildlich in Symbolen dargestellt. So durchziehen die Darstellungen der acht Unsterblichen noch andere eingeflochtene Glückssymbole, wie z.B. die
dreibeinige Kröte, das Bildpanorama.
LU DONGBIN is the patron of the sick and of the barbers. He owned a magic sword with which he fought against all kinds of evil. His
attributes are the magic sword and a fly brush.
HE YIANGU is the only woman among the eight immortals. She lives alone in the mountains. She reached immortality through a special diet of powdered mica and moonlight. She is the patron of the
household and her attribute is the lotus flower.
The Eight Immortals on this pot have been brought back to life with a master's brush. The painting is of highest quality and shows the Chinese people's deep affinity to nature. Almost every wish and every situation in life was depicted in a symbolic form. Other lucky symbols are intertwined with the depiction of the eight immortals, e.g. a three-legged toad.
Die dreibeinige Kröte (HA-MA) ist ein Mondsymbol. Da die Kröte eine
lange Lebenserwartung hat, ist sie auch ein Symbol für langes Leben. Auf der Schale ist LUI HAI, ein Heiliger, als junger Mann dargestellt, wie er mit einer Schnur, an der Geldstücke aufgereiht
sind, über einer dreibeinigen Kröte hängt. Die dreibeinige Kröte steht auch symbolisch für Wohlstand, Erfolg und Reichtum.
Der Kranich, auf einer Bildseite dargestellt, wird in Asien mit zahlreichen mythischen Eigenschaften ausgestattet. So soll er nach 600 Jahren keine Nahrung mehr zu sich nehmen, sondern nur noch
Wasser trinken. Im Zusammenhang mit der Kiefer, wie auch auf der Schale dargestellt, stehen beide als Symbol für langes Leben.
Der Hirsch, LU, lautgleich mit dem Wort LU für gutes Einkommen, auf der Schale dargestellt zwischen ZHONGLI QUAN und LAN CAIHE, steht symbolisch für Reichtum, Ehre und Langlebigkeit.
Die ganze Schale steckt voll tiefer Geheimnisse der daoistischen Lehre. Sie öffnet sich nur demjenigen, der bereit ist, sich auf tiefe Lebenserkenntnisse einzulassen.
In der Sammlung steht neben diesem Meisterstück als Ergänzung eine kleine Porzellan-Wasserschale mit den oben aufgeführten acht Attributen der Unsterblichen: Bambusrohr, Schwert, Blumenkorb,
Kalebasse, Lotos, Fächer, Flöte und Kastagnetten.
The three-legged toad (HA-MA) is a moon symbol. Since the toad has a high life expectation, it is also a symbol for longevity. On this
pot, the saint LUI HAI is depicted as a young man, hanging a string of money down to the toad. The three-legged toad is also a symbol of prosperity, success and wealth.
The crane which is shown on one of the sides has many mythical properties in Asia. He is said to stop having solid food after 600 years, and only water from then on. Along with the pine tree,
which is also depicted on the pot, it symbolizes a long life.
The deer, LU, which sounds like LU, the word for wealth, is depicted between ZHONGLI QUAN and LAN CAIHE and symbolized wealth, honour and longevity.
The entire pot is full of secrets of Taoist teachings. It only reveals them to people who can open themselves to these secrets.
In the collection, this masterpiece is paired with a small porcelain water pot showing the eight attributes of the Eight Immortals: Bamboo sticks, sword, flower basket, gourd, lotus flower, fly
brush, flute and castinets.
Technische Daten zu beiden Schalen: blaue Unterglasurmalerei, obere
Ränder mit floralem Muster verziert, gebrannt bei ca.1300 Grad, Alter der großen Schale ca. 200 Jahre, kleine Schale 60-80 Jahre, Größe 16 cm x 10 cm x 4,5 cm, Töpferei: wahrscheinlich
Südchina.
Peter Krebs
Beide Schalen stammen aus der Sammlung von PAUL LESNIEWICZ und stehen jetzt in meiner kleinen Sammlung.
Fotos: HELMUT RÜGER
Artikel Ersterscheinung in BONSAI ART Heft Nr. 38.
Technical details of the pots: Blue underglaze, upper rims decorated with a floral pattern, fired to ca. 1300°C. Age of the large pot
ca. 200 years, age of the small pot 60-80 years, size 16 x 10 x 4.5 cm (12.3 x 4 x 1.8 in). Pottery probably southern China.
Both pots are originally from PAUL LESNIEWICZ's collection and are now part of my small collection.
Photographs: HELMUT RÜGER
Article first published in BONSAI ART Vol. 38.
Translation: Stefan Ulrich